Traumaaufstellungen

Seit 1995 arbeitet Prof. Dr. Franz Ruppert psychotherapeutisch mit der Methode der Aufstellung. Dies bedeutet, dass durch menschliche Stellvertreter zwischenmenschliche Beziehungen im Außen sichtbar gemacht werden. Aufstellungen erweisen sich als ein sehr effizienter Weg, den Ursachen psychischer wie körperlicher Beschwerden auf die Spur zu kommen. Aufstellungen können helfen, unbewusste und nicht sprachlich abgespeicherte psychische Prozesse besser zu verstehen. So können wir klarer erkennen, warum und wie sie ihren Ausdruck in Beziehungskonflikten und in psychischen und körperlichen Krankheitssymptomen suchen. Aufstellungen können auf einer psychosomatischen Ebene heilende Prozesse in Gang bringen, die alleine durch Gespräche nicht erreichbar ist

Oft liegen den psychischen Problemen, die wir Menschen haben, traumatische Erfahrungen als Ursache zugrunde. Traumata werden zudem auf dem Weg der Bindung von den Eltern unbewusst an ihre Kinder weiter”vererbt”. Daraus ergeben sich Generationen übergreifende Verstrickungen und zuweilen schwere psychische Störungen (z.B. Hyperaktivität, Essstörungen, panische Ängste, Depressionen, Psychosen) bei den Kindern traumatisierter Eltern.

Prof. Dr. Ruppert bezeichne die von ihm entwickelte Form der Aufstellungen als “Traumaaufstellungen”. Traumaaufstellungen unterstützen die Integration abgespaltener psychischer Anteile und die Lösung aus symbiotisch verstrickten Beziehungen. Die spezielle Form der Aufstellung, welche besonders hilfreich ist, um Retraumatisierungen zu vermeiden, nennt er “Aufstellen des Anliegens”. Ein Anliegen ist das, womit sich jemand im Moment auseinandersetzen möchte, um in seiner persönlichen Entwicklung einen Schritt nach vorne zu machen. Die Entwicklung der mehrgenerationalen Psychotraumatologie ist der Hauptinhalt seiner Lehrtätigkeit geworden

Der Schamanismus geht davon aus, dass sich angesichts eines Traumas aus Liebe ein Seelenteil von der Hauptseele abspaltet und die Erinnerung an das Trauma und aller damit verbundenen Schmerzen und Nöte trägt, damit die Hauptseele weiterleben kann. Immer wieder kommt es im Leben zu Situationen, die wir bewusst oder unbewusst nicht wirklich verarbeitet haben. Die Auseinandersetzung damit würde die Seele und somit auch den Menschen überfordern. Damit es ein Überleben gibt, hat unsere Seele diese Fähigkeit, solche Traumata-Erlebnisse abzuspalten. (In der klassischen Psychologie nennen wir diesen Vorgang Dissoziation, berühren allerdings nur einen Aspekt des Trauma-Vorgangs.)

Würden Erinnerungen an eine Misshandlung, schlimme Kindheit oder an einen Frontalzusammenstoß permanent im Tagesbewusstsein verfügbar sein, wären wir gar nicht in der Lage, in unserer normalen Welt zu funktionieren. Es handelt sich bei der Seelenabspaltung um einen Überlebensmechanismus, der intelligente Weg, um der vollen Wucht eines Schreckens zu entgehen. Denn ein Teil der Persönlichkeit möchte das Entsetzliche, das Grauenhafte unzerstört überdauern, deshalb verlässt er den Menschen, um den Schmerz auf sich zu nehmen, damit die grosse Seele leben kann. Dabei werden jedoch mit der emotionalen Trauma-Erinnerung auch Kompetenz und Ressourcen mitgenommen, die dann nicht mehr zur Verfügung stehen (Lebensfreude, Mut, Lust, Fülle…).  Der abgespaltene Seelenanteil bleibt stets durch eine Art ‘Silberschnur’ mit der Hauptseele verbunden. So kommt es zu Reinszenierungen und ‘Zufällen’, um das Trauma zu verarbeiten und den Seelenanteil wieder zu integrieren.

Gemäß Ruppert spaltet sich die Seele in unserem Kulturkreis bei einem Trauma üblicherweise nicht in zwei, sondern in drei Teile, den traumatisierten Anteil und den gesunden Anteil und einen dritten Anteil: das Überlebens-Ich, das das Weiterleben nach dem Trauma organisiert.  Der Überlebens-Anteil verfügt über alle Erfahrungen und Erinnerungen eines Menschen, außer denen, die zu den Trauma-Situationen gehören, welche der Mensch erlebt hat. Möglicherweise kann das Überlebens-Ich sich an diese Trauma-Situationen sogar partiell erinnern, aber etwas Wesentliches fehlt ihm dabei: der innere emotionale Bezug zu dieser Situation. Ein Teil der Person soll frei bleiben von der Übererregung des Körpers, dem Empfinden von Todesangst, den abgrundtiefen Verlassenheits- und Einsamkeitsgefühlen, dem Gefühl des Überwältigtseins, dem Ohnmachtsempfinden, der vollkommenden Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit, den unerträglichen Schmerzen, der unerträglichen Wut, der tiefen Beschämung oder den quälenden Ekel- oder Schuldgefühlen, die, je nach der besonderen Art der Trauma-Situation, in der Seele eines Menschen entstanden sind.

Das Überlebens-Ich wird zum Wächter der Spaltung, indem es den Gehirnstoffwechsel entsprechend steuert und für die Unterdrückung mittels Vermeidung, Kontrolle, Kompensation, Illusion und Dominanz sorgt. Es gilt das gesunde Ich, das die Sehnsucht nach Trauma-Heilung hat, zu stärken und den abgespaltenen Seelenanteil mittels einer Aufstellung zu integrieren.

In der Psychologie spricht man nicht von Seelenanteilen, sondern von ‘Ego-States’. Die Ego-State-Therapie (englisch: ego state therapy, lateinisch ego ‚ich‘, englisch state ‚Zustand‘) ist eine psychotherapeutische Methode aus der Traumatherapie. Sie wurde von John und Helen Watkins entwickelt.

Menschen, die schwer verletzt wurden (Trauma), entwickeln zum Schutz ihrer Persönlichkeit Abwehrmechanismus  gegen die mit der Verletzung verbundenen Schmerz- und Angstgefühle. Einige tun dies, indem sie ihre Persönlichkeit in verschiedene Ich-Anteile (englisch: Ego States) „aufteilen“. Dies geschieht zunächst fast immer unbewusst. Diese Ich-Anteile können wie „eigene Persönlichkeiten“ ein Eigenleben entfalten, mit „eigenem“ Willen, „eigenen“ Gedanken und Gefühlen. Die Ego-State-Therapie hilft den Betroffenen, diese Ich-Anteile wieder besser in Richtung einer ganzheitlichen Persönlichkeit miteinander zu verbinden. Man unterscheidet gesunde, ungesunde und abgespaltene Ich-Anteile.

Mit traumatisch verletzenden Situationen verbundene Gefühle können so stark sein, dass Menschen sie nicht aushalten. Auch konfliktbeladene Situationen können an einen Menschen Forderungen stellen, worauf er noch „keine Antwort“ hat und die eine entsprechend tiefe Angst auslösen können. Dagegen wird ein Abwehrmechanismus aufgebaut. Eine Form ist die Abspaltung von Ich-Anteilen. In diesen sind Gefühle und Energien ungelöster Traumata abgespeichert. Es können spezielle Formen und Aufgaben solcher Ich-Anteile unterschieden werden: „Verfolger“, radikale Helfer, Täter-Introjekte (täteridentifizierter Anteil), Angreifer, Mittäter-Introjekte (täterloyale Anteile). Einzelne Ich-Anteile können sich auch überlagern und ggf. gegenseitig verstärken, wie z. B. täteridentifizierte und täterloyale Anteile. In idealer Reinform tritt ein einzelner Ich-Anteil selten zu Tage.

Als Beispiel sei ein Mensch betrachtet, der von Kindheit an von einem Familienmitglied misshandelt wird, inzwischen als Erwachsener in einer eigenen Wohnung lebt, und vom Täter weiterhin zu Gewalthandlungen aufgesucht wird. Sein gesunder, in der Therapie kontaktierbarer Ich-Anteil kann die neue Information lernen „Du musst ihn nicht reinlassen.“ Das wird den Menschen zwar stärken, dennoch sagt er z. B. „Ja, aber ich kann es nicht versprechen.“ Denn da gibt es auch noch den täteridentifizierten Anteil, der glaubt, gemäß der früheren Erfahrung den Menschen weiterhin (relativ) schützen zu müssen, indem er tut, was der Täter verlangt. So kann es zu der kontinuierten Entscheidung kommen, den Täter wider besseres Wissen immer wieder in die eigene Wohnung einzulassen, nach dem alten Motto: „Du musst tun was er will, sonst schlägt er Dich tot“. Dieser Anteil ist abgespalten und unterliegt nicht der Ich-Kontrolle.

Abgespaltene Ich-Anteile erscheinen so, als hätten sie eine „eigene Persönlichkeit“, mit „eigenen“ Gefühlen und Gedanken. Sie halten ihre Existenz für hilfreich und überlebenswichtig, sind potentiell auch auf lebenslanges Bestehen angelegt. Manche „kennen“ sich gegenseitig und sind miteinander in Kontakt. Andere sind gänzlich abgespalten (Untergrund-Ich-Anteile); die Kern-Persönlichkeit ist nicht mehr in Kontakt mit ihnen und sie sind oft nur noch mittels Hypnose oder Trance zugänglich.