Schamanismus gilt als Oberbegriff für die zahllosen Wissensgebäude, Weltbilder, Rituale, Heilformen und Weisheiten traditioneller indigener Kulturen. Er reicht von uralten Erklärungen zum Zusammenwirken der universellen Kräfte, über die Entstehung und Heilung von Krankheiten, bis zu rituellen und spirituellen Strategien zum Umgang mit Störungen im sozialen, individuellen und ökologischen Gleichgewicht. Schamanisches Wissen ist die wohl älteste Lehre der Menschheit und rund um den Globus anzutreffen. Das schamanische Wissen wurde über Jahrtausende in ganz unterschiedlichen Kulturen von Generation zu Generation weiter getragen und fortentwickelt, wobei die Grundlagen und Praktiken sich erstaunlich ähneln und offensichtlich eine zeitlose Gültigkeit haben.
Auch Europa hat eine schamanische Tradition, die bis in die Anfänge der menschlichen Geschichte zurückreicht. Erst in den letzten Jahrhunderten wurde schamanisches Wissen – etwa durch die Inquisition, die Entwicklung der modernen Naturwissenschaften und den Emanzipationprozess der Aufklärung – verdrängt und vergessen. Doch das globale schamanische Wissen ist nie ganz verloren gegangen. Uns bietet sich heute die Chance, die alte und die neue „Natur-Wissenschaft“ miteinander zu verbinden. Das alte spirituelle Wissen kehrt ins Bewusstsein der Menschen zurück, denn langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Menschheit mit einer einseitigen technischen Entwicklung, welche die Natur nur als auszubeutende Ressource betrachtet, in einer Sackgasse gelandet ist, die letztendlich sogar das Überleben der Gattung Mensch selbst gefährdet.
Aus unserer dualistischen und materialistischen Weltsicht ist eine tiefe Entfremdung zur natürlichen Welt entstanden. Die Erkenntnisflut der modernen Naturwissenschaften macht die Spezialisierung des Einzelnen in einer immer komplexer erscheinenden Welt notwendig. Das Verständnis, wie das Einzelne ineinander greift und zum Funktionieren des Ganzen beiträgt, stellt sich nicht mehr ein. Dies führt dazu, dass detailliertes Spezialwissen und die Gier nach Reichtum höher bewertet werden, als kollektives Verantwortungsbewusstsein und ein intuitives Gesamtverständnis. Dadurch sind unser soziales Gefüge und das ökologische Gleichgewicht der Erde bedroht. Die Folgen von Überforderung für unsere körperliche und psychische Gesundheit werden immer deutlicher. Individueller und kollektiver Wandel sind zum Imperativ des Überlebens geworden.
Während das Weltbild moderner westlicher Kulturen darauf beruht, die Welt zu zertrennen, zu sezieren, zu unterteilen und zu kategorisieren, basiert die schamanische Weltsicht auf der Integration vieler Wirklichkeiten. Während der Mensch des Westens unterscheidet zwischen Innen und Außen, Leben und Tod, Geist und Natur, Traum und Realität, verstehen sich SchamanInnen als Wanderer zwischen den Welten. Wo der westliche Mensch Zäune einzieht, sind Schamanen die Zaunkönige, die Kraft ihres Bewusstseins, ihrer Rituale und ihres Wissens um die Geheimnisse der Natur scheinbare Gegensätze überwinden und verbinden. Wo die westliche Welt linear denkt und Sicherheiten sucht, denken SchamanInnen zyklisch und begleiten seit Urzeiten Menschen durch Wachstumskrisen.
Schamanen sind Mediatoren der Heilung auf der physischen, mentalen, emotionalen und spirituellen Ebene.
„Die größte Entfernung im Dasein des Menschen ist nicht die von hier nach dort oder von dort nach hier. Nein, die größte Entfernung im Dasein des Menschen ist die von seinem Verstand zu seinem Herzen. Nur wenn er diese Distanz überwindet, lernt er, wie ein Adler zu segeln und seine innere Unermesslichkeit wahrzunehmen. Segeln bedeutet nicht, die Bodenhaftung zu verlieren und abzuheben. Es bedeutet, den Horizont zu erweitern und dich besser kennenzulernen. Es bedeutet: die Flügel zu öffnen und dich tragen zu lassen. Aus eigener Kraft kannst du nicht fliegen, aber du kannst dich dir selbst anvertrauen und dich von Leben in neue Höhen tragen lassen – zu neuen Höhen deines Bewusstesins, zu einer anderen Ebene der Wirklichkeit in dir. Je sicherer du dir deiner selbst bist, desto besser kannst du auf den Federn deines Geistes (Spirits) segeln” (Angaangaq, 2010).
Angaangaq trägt den Ehrentitel “Angakkorsuaq” -großer Schamane. Er ist Angehöriger der Kataallit-Eskimos aus Westgrönland, deren Ältester und Botschafter. Als Repräsent indigener Völker ist er u.a. Delegierter bei der UN und UNESCO. Er überwindet die Grenzen zwischen Kulturen und Glauben bei Jung und Alt, kombinierte westliche wissenschaftliche Erkenntnisse und das traditionelle Wissen der Eskimos. Seine Arbeit brachte ihn auf fünf Kontinente und in über fünfzig Länder rund um die Welt, unter anderem Südafrika, Nordamerika, Südamerika, Asien, die europäische Arktis, Europa, Russland und Sibirien. Er spricht auf internationalen Konferenzen und Symposien über Klima, Umwelt und indigene Themen unter anderem vor den Vereinten Nationen im Ausschuss zum Umweltprogramm, dem Ausschuss für Religion und Spiritualität sowie im Forum für indigene Angelegenheiten. Er ist assoziiert mit der United Religions Initiative in Allianz mit den Vereinten Nationen, dem Club von Budapest International, der Masters Group, der Earth Restorations Corps. sowie im Rat des Jane Goodall Institutes. Angaangaqs Arbeit hat zum Ziel, die interkulturelle Harmonie zu fördern.
Die sieben hawaiianischen Prinzipien aus dem Huna(Schamanismus) in Kurzfassung:
IKE – Die Welt ist, wofür du sie hältst
Die Welt ist also nicht einfach, keine objektive Welt existiert, es ist unsere persönlich Sicht auf die Welt. Und unsere Sicht der Welt hängt von unseren Einstellungen ab. Jeder Mensch lebt in seinem eigenen System, in seinem eigenen Weltbild. Handeln und Wahrnehmen sind wechselseitig verschränkt.
KALA – Es gibt keine Grenzen
Jede Grenze ist willkürlich. Allerdings ist nicht jede Grenze an sich sinnlos. Ganz im Gegenteil, um das Leben erfahren zu können, brauchen wir Grenzen. Wir können das Leben auch als Spiel betrachten. Ein Spiel hat Spielregeln, Grenzen die festlegen, wo das Spiel beginnt, wie es gespielt wird und wann es endet. Allerdings macht es einen großen Unterschied, ob ich „Mensch ärgere dich nicht“ oder Schach spiele. Oder gar Monopoly.
MAKIA – Energie folgt der Aufmerksamkeit
Wir sind alle energie- und machtvolle Wesen sind. Wir haben ein unbegrenztes Maß an Lebensenergie und Handlungsfähigkeit, das uns befähigt, unser Leben zu gestalten. Innerhalb der von uns akzeptierten Spielregeln.
MANAWA – Jetzt ist der Augenblick der Macht
Im schamanischen Denken existiert keine Vergangenheit und keine Zukunft. Es existiert immer nur der gegenwärtige Augenblick. Alles was wir haben und sind ist jetzt. Wenn es keine objektive Wirklichkeit gibt, sondern nur eine subjektive Sicht auf das was wir wahrnehmen, dann gibt es auch keine objektive Vergangenheit.
ALOHA – Liebe heißt glücklich sein mit…
Aloha heißt übersetzt soviel wie Liebe. Die Hawaiianer/innen verstehen unter Liebe alles, was alle Beteiligten glücklich macht. Liebe ist sehr klar definiert, sie existiert in dem Ausmaß, wie auch Glück existiert. Wenn Sie eine Situation oder einen Menschen lieben, dann sind Sie glücklich damit.
MANA – Alle Macht kommt von innen
Alle Macht kommt aus uns selbst. Es gibt keine Person, kein Wesen, kein Ding und keinen Umstand, die irgendeine Macht über uns besitzen. Es kann uns nichts passieren, ohne dass wir in irgendeiner Art und Weise daran beteiligt waren. Weder etwas, was für positiv halten, noch etwas, was wir für negativ halten.
PONO – Wirksamkeit ist das Maß der Wahrheit
Das Prinzip PONO kann auch wieder unter dem Blickwinkel der Leichtigkeit gesehen werden. Wenn ein Weg nicht funktioniert, dann kann ich ohne weiteres einen anderen – vielleicht leichteren – einschlagen.. Es liegt kein Wert darin, es sich schwer zu machen.
In der langjährigen Anwendung und Auseinandersetzung mit Schamanismus und dem Familienstellen sind immer mehr die Zusammenhänge und Parallelen in diesen zwei Methoden aufgefallen. Schmanische Traditionen gab es in allen Kulturen. Es ist ein altes Wissen um die Geheimnisse von Leben und Tod und unserer Verbindung mit dem ALL EINEN und das Schicksal unserer Seele in diesem Tanz von Sein und Vergehen.
Vor mehr als 20.000 Jahren entstand in den menschlichen Kulturen aller Kontinente ein Wissen um Leben, Krankheit und Tod und ein Schatz von psychischen Techniken, dieses Wissen zu erfahren und zum Heilen von Menschen und Tieren anzuwenden. Trotz unterschiedlicher regionaler Ausgestaltung gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den euroasiatischen, amerikanischen, afrikanischen und australischen Traditionen.
In allen schamanischen Traditionen ist das Phänomen bekannt, dass bei traumatischen Ereignissen die Seele ganz oder teilweise den Körper verlässt und manchmal nicht wieder ganz zurück findet. Diese Menschen fühlen sich nicht mehr vollständig, sie selbst spüren, dass ihnen seitdem etwas fehlt bzw. die Angehörigen oder sogar fremde Personen spüren, dass ihnen etwas fehlt. Auch kann bei tiefen Beziehungen, sei es zu dem Partner oder zu den Eltern, ein Seelenanteil dort verbleiben. So bleibt man an sie gebunden und diese Energie fehlt, um in ein eigenständiges Leben zu gehen. Der Schamane kann für einen Klienten Seelenanteile zu ihm zurück bringen. Abgespaltene oder verlorenen Anteile unserer Seele werden wieder spürbar, Anhaftungen fremder Energien (z.B. Aufträge der Eltern) oder Schicksale (z.B. der Eltern oder nahestehender Personen) werden fühl- und begreifbar, noch offene Erleben können geklärt und abgeschlossen werden. Zuvor unbewusstes wird bewusst, unbegreifliches wird greifbar, Unverständnis macht Platz für Verständnis und Respekt, jeder kann seinen Teil der Verantwortung sehen und annehmen und was verhärtet war, kommt ins fliessen und kann gelöst werden. Durch die Annahme kann die Liebe fliessen – in uns, für uns und füreinander.
Familien- und Systemaufstellungen schauen auf Ungleichgewichte und Verstrickungen in Familiensystemen oft über Generationen hinweg und versuchen eine Lösung zu erarbeiten. In schamanischen Heilritualen werden Bilder und Strukturen der Vollständigkeit und des Gleichgewichts geschaffen. Sie dienen als energetische Matrix, in die der Klient eintaucht. Aus diesen beiden Methoden, hat Daan van Kampenhout “Systemic Ritual” entwickelt.
Wird das Erlebnis nicht etliche Male anderen Menschen erzählt, sondern gut behütet an einem speziellen Platz bewahrt, dann behält die Erinnerung ihre Lebendigkeit, da sie nicht durch Geschichten ersetzt wird; sie ist außerhalb des linearen Verstandes in der Zeitlosigkeit bewahrt. An diesem Ort kann sie eine Quelle der Kraft für viele kommende Jahre sein. So werden die Heilbilder in der Seele und nicht in der Persönlichkeit/Ego bewahrt. Denn wenn die Aufstellung nur aus der Perspektive des gewohnten Beurteilens betrachtet wird, wird die Erinnerung daran nicht tiefer dringen, sondern nur von oberflächlicher Qualität sein.
Stattdessen sind sie außerhalb der gewohnten Denkmuster geschützt vor der Analyse des Verstands. Die Erinnerungen an dieses kostbare Erfahrung, das, was wirklich passiert ist wird zur Energiequelle, als heilende Bilder zu einem Träger für die Heilkraft der Seele und die Seele fügt Kraft hinzu.
Die Bilder und die Wahrnehmungen (die im Körper spürbar waren) werden an einem stillen Platz im Herzen aufbewahrt.
Nach einiger Zeit löst sich die Erinnerung möglicherweise von selbst auf bzw die Kraft der Seele fließt nicht mehr durch sie hindurch . Die Seele lässt das heilende Bild los, da die Arbeit, die dadurch geschehen konnte vollbracht ist. Ab diesem Zeitpunkt kann man mit anderen darüber sprechen, weil die Erfahrung nicht mehr den Schutz der Seele bedarf.
Ab diesem Zeitpunkt kann der analytische Verstand zusätzliche Wahrheiten und Inspirationen finden.
“Die Heilung kommt von außerhalb, Schamanismus und Familien-Stellen” Daan van Kampenhout, 2001, vierte Auflage 2014