Aaron Antonovsky’s Konzept der Salutogenese:
Wodurch und wie werden Menschen immer wieder gesund? Diese entscheidende Frage stellte der Medizinsoziologe und Stressforscher Antonovsky anhand einer vergleichenden Untersuchung von Frauen, die den Holocaust im KZ überlebt hatten. 29 Prozent derer, welche den unvorstellbaren Horror des Lagers durchgestanden hatten, erfreuten sich guter Gesundheit. Dies war für Aaron Antonovsky die überraschende Erfahrung, die ihn bewusst auf den Weg brachte, das zu formulieren, was er später als das salutogenetische Modell bezeichnet hat. Er hat diese Frauen, die den Holocaust gesundheitlich gut überstanden haben, intensiv interviewt, um herauszufinden, was sie zu dieser Stressbewältigung befähigt hat.
Als zentralen Faktor für ihre Gesundheit hat Antonovsky dadurch den „sense of coherence SOC“ gefunden, was in der deutschsprachigen Literatur meist mit ‚Kohärenzgefühl’, seltener mit ‚Kohärenzsinn’ oder ‚Kohärenzempfinden’ übersetzt wird. Das Kohärenzgefühl ist eine Grundorientierung, eine Art geistig-seelischer Grundeinstellung, die bestimmt, wie belastende Situationen wahrgenommen, verarbeitet und beantwortet werden. „Das Kohärenzgefühl ist eine globale Orientierung, die ausdrückt, in welchem Ausmaß man ein durchdringendes, dynamisches Gefühl des Vertrauens hat, dass die Stimuli, die sich im Verlauf des Lebens aus der inneren und äußeren Umgebung ergeben, strukturiert, vorhersehbar und erklärbar sind; einem die Ressourcen zur Verfügung stehen, um den Anforderungen, die diese Stimuli stellen, zu begegnen; diese Anforderungen Herausforderungen sind, die Anstrengung und Engagement lohnen.“
Nach Antonovsky setzt sich der SOC also aus drei Komponenten zusammen:
Menschen mit einem ausgeprägten SOC sind demnach besser in der Lage, die Belastungen und Herausforderungen des Lebens adäquat zu bewältigen! Damit stellt der SOC einen entscheidenden Faktor für den Erhalt oder die Wiederherstellung von Gesundheit dar.
In dem Salutogenese-Modell nach Antonovsky gibt es keine Dichotomie von Gesundheit und Krankheit, sondern ein Kontinuum zwischen den Polen Krankheit und Gesundheit. Dabei versteht er Gesundheit dynamisch als ständigen Entstehungsprozess. Er prägt das Bild von einem Menschen, der im Fluss des Lebens zu schwimmen hat und besser lernt, ein guter Schwimmer zu sein, statt dasss ein Dritter versucht, ihn zu “retten” (Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit; DGVT-Verlag, 1997).
Salutogenetische Orientierung
Seit 2003 wurden Qualitätskriterien für salutogenetisch orientierte Arbeit in Qualitätszirkeln, zunächst an der Uni Göttingen (insbesondere in der Kooperation mit Dr. O. Bahrs) und Herdecke (Prof. Dr. med. P. Matthiessen), dann auch im Zentrum für Salutogenese in Bad Gandersheim diskutiert und erarbeitet. Das Ergebnis fasst sieben Merkmalen zusammen. Salutogenetische Orientierung bedeutet, dass die Menschen bzw. Methoden sich
1. an Stimmigkeit, aufbauender Kohärenz, Verbundenheit orientieren;
2. auf Gesundheit (attraktive Ziele, Vorstellungen) ausrichten;
3. auf Ressourcen ausrichten;
4. das Subjekt und Subjektive (Selbstwahrnehmung, subjektive Theorien, Eigenaktivität usw.) wertschätzen;
5. Aufmerksamkeit für systemische Selbstorganisation und -regulation (auch Selbstheilungsvermögen) haben (individuell und kontexbezogen: sozial, kulturell, global)
6. dynamisch sowohl prozess- als auch lösungsorientiert denken und auf Entwicklung und Evolution achten.
7. mehrere Möglichkeiten einschließen: z.B. sowohl salutogenetisch als auch pathogenetisch.
aus der Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung BZgA: Was hält den Menschen gesund? Antonovskys Modell der Salutogenese, Diskussionsstand und Stellenwert