Lösungsfokussierte Mediation

Veränderungen geschehen nachhaltiger, dynamischer und effektiver, wenn sie auf Stärken aufbauen.
Statt Defizite erforschen, Fähigkeiten stärken
Die lösungsorientierte Arbeitsweise lebt von der Vorstellung, dass das gemeinsame Erforschen der Potenziale, das Beleuchten der aussergewöhnlichen Erfolgserlebnisse und die konstruktive Arbeit an gemeinsamen Zielen – die Vorstellung also von einer lebendigen, positiven, lösungs- und ressourcenorientierten Veränderung – zu schnelleren, demokratischeren und nachhaltigeren Veränderungen führt, als die an Defiziten orientierte Untersuchung der fehlerhaften und problematischen Umstände. Darum spielt das genaue Verstehen von Problemen eine untergeordnete Rolle.

Grundsätzlich nehmen wir uns selbst, andere Menschen, Teams und Organisationen in zweierlei Weise wahr. Zum einen können wir uns und andere als Wesen verstehen, die mit Mängeln und Defiziten behaftet sind – also grundsätzlich als unvollkommen und fehleranfällig. Dann sehen wir vor allem, was im Team nicht stimmt oder was falsch läuft. Sie kennen das vielleicht? Es gibt Teams, die haben es sich zur Kultur gemacht, zielsicher jede Schwäche lautstark zu bemängeln. Es wird gestänkert, süffisant gelächelt und geklagt. In der Kaffeepause, auf dem Gang, vor und nach Besprechungen erzählt man sich die neusten haarsträubenden Geschichten, die eben erst passiert sind, und jammert über den ewigen Zeitdruck, die knappen Mittel, die unmöglichen Arbeitsbedingungen, die schwierigen Arbeitskollegen. In diesem Jammertal gehen nach und nach Dynamik, Freude, Innovation, Experimentierlust und auch die Leistungsbereitschaft verloren.

Zum anderen können wir in uns selbst, in anderen Menschen und in Teams grosse Fähigkeiten und Ressourcen erkennen – Potenziale, die so umfassend sind, dass wir sie kaum abschätzen können.

In der Regel tendieren wir zur ersten Sichtweise. Und wir neigen dazu, das Negative, das wir ja durchaus erleben, dermassen aufzublähen, dass wir dabei all die positiven Erlebnisse, die für unser Leistungsvermögen stehen, nicht mehr erkennen können. Damit schränken wir unsere Möglichkeiten ein! Anstatt die Zukunft aktiv zu gestalten, verwenden wir unsere Zeit, die Vergangenheit zu beklagen.

Die lösungsfokussierte Mediation baut auf der Grundannahme auf, dass jeder Mensch, jedes Team und jede Organisation ein viel grösseres Potenzial besitzt, als ihnen in der Regel bewusst ist. Diese Kraft blitzte in der Vergangenheit immer wieder auf – mindestens punktuell, manchmal auch über längere Zeit. Die lösungsfokussierte Mediation arbeitet mit dieser Kraft der Potenziale und Kompetenzen.

Blicken wir in der lösungsfokussierten Mediation rückwärts in die Vergangenheit, suchen wir nicht nach Fehlern oder nach Defiziten, sondern erkunden die Kompetenzen des Teams. Diese Kraft ist die Basis, auf der Lösungen für anstehende Fragestellungen aufgebaut werden. Ein Team ist nicht ein Problem, das analysiert und gelöst werden muss, sondern ein Potenzial, das entfaltet werden will.

Weil dieses Vorgehen dazu führt, dass die Kunden rasch (wieder) in kooperatives Zusammenwirken finden, tritt der Erfolg der Mediation meist überraschend schnell ein. Die lösungsfokussierte Mediation kann deswegen mit Fug und Recht als Kurzzeit-Mediation bezeichnet werden: Eine solche Mediation wird beendet, wenn die Beteiligten ihre Kompetenzen und Ressourcen wieder frei und kooperativ nutzen können und sich wieder zutrauen, selbständig Lösungen zu entwickeln, die für alle passen und deshalb nachhaltig sind.

Basis des Erfolgslösungsfokussierter Kurzzeit-Mediation sind eine lösungsfokussierte und ressourcenorientierte Einstellung sowie eine systemisch-konstruktivistische Sicht wie sie dem Modell der Lösungsfokussierung der Schule von Milwaukee zugrunde liegen (Insoo Kim Berg, Steve de Shazer und viele andere). Dies beinhaltet auch einen radikalen Paradigmenwechsel hinsichtlich der Idee von Konflikt, Konfliktlösung, Veränderung und Entwicklung. Konflikt wird als etwas Wertvolles aufgefasst (anstatt Angst davor zu haben), weil darin der Hinweis und Samen für nützliche Entwicklung und Wachstum erkannt wird.

www.youtube.com/watch?v=WO6lZ5EP3F0

Kurzbeschreibung:
Der Lösungsfokussierte Mediation stellt die Werkzeuge zur Verfügung, um Teams lösungs- und ressourcenorientiert zu führen und zu coachen. Diese Werkzeuge können sowohl im Führungsalltag an Sitzungen und Besprechungen eingesetzt werden, wie auch in der Projektarbeit oder um konflikthafte Situationen im rahmen eines Workshops zu bearbeiten.

Anwendungsbereiche:
Die lösungsfokussierte Mediation besteht z.B. aus acht Elementen, welche alle nötigen Phasen eines Team- Coaching-Prozesses umspannen. Es gilt, die vorhandenen Turbulenzen im Team als Chance für die Weiterentwicklung zu nutzen.
Einzelne Elemente können aber sehr spezifisch eingesetzt werden, beispielsweise
- das Futur Perfekt zur klaren Zieldefinition, wobei mit der Zieldefinition schon der konstruktive Veränderungsprozess einsetzt.
- der Scaling Dance als Veränderungsmethode und um konkrete Maßnahmen zu formulieren.

Die lösungsfokussierte Mediation eignet sich besonders in Teamsituationen, in denen rasch und trotzdem nachhaltig eine Veränderung gewünscht wird.

Zielsetzung/Effekte:
Die vorhandene Zeit und Energie wird konsequent für die Lösungsentwicklung und deren Umsetzung verwendet. Anstatt Probleme fundiert zu analysieren oder Hindernisse zu benennen wird eine Erfolg versprechende Zukunftsvision entwickelt.
Teams erlangen durch den Einsatz des Tools wieder selbstverantwortliche Handlungsfähigkeit und dadurch die Möglichkeit, sich auf ein gemeinsames Ziel zu konzentrieren. Im Gespräch werden mehrere Wahlmöglichkeiten geschaffen, um Fortschritte in die gewünschte Richtung in Gang zu setzen.
Entwicklungsprozesse werden auf den Stärken im Team aufgebaut, und nicht auf den Defiziten. Spitzenleistungen in der Vergangenheit geben Hinweise darauf, wie Spitzenleistungen in der Zukunft aussehen können. Dadurch wird die Zielvorstellung attraktiver, das Vertrauen in die Machbarkeit steigt und erste Schritte werden vorstellbar.

Dadurch, dass eine veränderte Auseinandersetzung mit dem Alltag stattfinden kann und neue Perspektiven gewonnen werden, kehren Freude, Leistung und auch dynamisches Lernen in die Teamarbeit zurück. Neue Handlungsvarianten können ausprobiert werden.

Ausführliche Beschreibung:
Die Grundlagen dieses Tools bildet das lösungs- und ressourcenorientierten Arbeitsmodell, das von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg entwickelt wurde. Der zentrale Leitgedanke dieser Vorgehensweise ist, dass „reden über Probleme, die Probleme grösser werden lässt, während das Reden über Lösungen, Lösungen wahrscheinlicher macht.“ Die praktische Konsequenz ist, dass sich die Arbeit mit Teams auf die Konsequenzen der Zielerreichung, über bereits funktionierende Vorboten von Lösungsansätzen und über beobachtbare Auswirkungen von nächsten kleinen Fortschritten konzentriert. Wenn die Zukunft nicht durch die Vergangenheit determiniert ist, sind Teams in der Lage sie zu gestalten und herauszufinden welche Veränderungen sie sich wünschen.

Weiterhin wird davon ausgegangen, dass die Kompetenzen und Ressourcen der Teammitglieder die Basis für den erfolgreichen Veränderungsprozess bilden. Das Teams wird nicht als Problem gesehen, das gelöst werden muss, sondern als Potenzial, das entwickelt werden will. Wenn in die Vergangenheit geschaut wird, gilt es nicht Probleme und ihre Ursachen zu ergründen, sondern Kompetenzen und Ressourcen zu entdecken.

Mit Hilfe der folgenden acht Schritte können komplexe Situationen im Team gelöst und die vorhandenen Potenziale zur nachhaltigen Weiterentwicklung genutzt werden. Die einzelnen Schritte können der jeweiligen Situation angepasst werden.

Schritt für Schritt
1. Schritt:
Rahmen klären
Zunächst gilt es, Vertrauen zwischen Team und Coach aufzubauen und sich gemeinsam darüber zu einigen, was benötigt wird, damit alle engagiert arbeiten können.
Folgende Elemente sind dabei wichtig:
a) Vorgeschichte klären: Wie kam der Coach zum Team – oder umgekehrt.
b) Vorgehensweise und Rollen klären :Vorab sollte als wichtiger Aspekt festgehalten
werden, dass der Coach für diesen Workshop die Struktur und den Rahmen schafft, den Verlauf koordiniert und viele Fragen stellen darf, die Teilnehmer jedoch den Inhalt bieten und Lösungen entwickeln.
c) Spielregeln festhalten: Auf einem Flipchart werden Verhaltens- oder Kommunikationsregeln gesammelt, die den Teilnehmern für eine engagierte Mitarbeit wichtig sind. Sie können als „Spielregeln der Zusammenarbeit“ bezeichnet werden, die gemeinsam festgehalten und in Kraft gesetzt werden.
2. Schritt: Erwartungen und Ziele
Nun werden die Erfolgskriterien für die Sitzung definiert. Kernfrage ist, welche Ziele erreicht und welche Erwartungen erfüllt sein müssen, damit eine Mitarbeit sich überhaupt gelohnt hat?
Hilfreiche Fragen sind hier:
- „Was soll in diesem Workshop passieren, damit es sich wirklich gelohnt hat, mit dabei gewesen zu sein?“
- „Was soll am Schluss dieses Workshops anders sein als vorher?“
- „Woran werden Sie merken, dass Sie dieses Ziel erreicht haben?“
- „Wenn gemeinsam dieses Ziel erreicht wird, woran würden Ihre Kunden das merken?“
3. Schritt: Brennpunkte
In diesem Schritt werden die Themen fixiert, in denen eine Verbesserung eintreten soll. Welches sind die brennendsten Themen, in denen unbedingt eine Verbesserung eintreten muss? Können die einzelnen Fragestellungen sinnvoll zu Oberthemen zusammengefasst werden?
4. Schritt: Sternstunden
Die Beteiligten machen sich auf die Suche nach Situationen, in denen das Problem oder der Konflikt weniger oder gar nicht aufgetreten ist. Sie finden heraus, mit welchen Fähigkeiten sie dies geschafft haben.
- „Welche Begebenheiten gab es in den letzten Wochen, die bezüglich der Fragestellung wie eine kleine Sternstunde erschienen?“
- „Was war dabei genau anders?“
- „Was hat Ihnen geholfen, in dieser Art zu reagieren?“
- „Was haben Sie dazu beigetragen, dass Ihr Kollege so reagiert hat?“
5. Schritt: Futur Perfekt
Im Futur Perfekt entwirft das Team eine möglichst präzise Vorstellung einer Zukunft, in der die Probleme gelöst sind.
- „Wenn wir in diesem Workshop wirklich sehr erfolgreich wären und sich das Team dabei genau nach unseren Wünschen entwickeln würde – wo würde das Team dann in zwei Jahren stehen?“
- „Was würden sie genau anders tun? „
6. Schritt: Scaling Dance
Die einzelnen Mitglieder des Teams schätzen die heutige Situation ein. Es geht darum, herauszufinden, was in der Vergangenheit bereits gut funktioniert hat.
- „Stellen Sie sich eine Skala von 1 bis 10 vor. Wo stehen Sie heute bezüglich des Themas X, wobei 10 den wirklichen Idealzustand (kühnste Erwartung) und 1 das genaue Gegenteil davon darstellt?“
- „Wie haben Sie es geschafft, bereits heute auf diesen Punkt zu kommen? Was macht also den Unterschied zwischen 1 und diesem Punkt aus?“
- „Wenn Sie an ihre beste Sternstunde aus Schritt 5 denken, wo lag sie auf derselben Skala? Was macht hier den Unterschied aus?“
- „Was haben Sie persönlich dazu beigetragen, dass Sie schon auf einer X stehen?“
7. Schritt: Maßnahmen
In diesem Schritt werden konkrete Maßnahmen formuliert, die das Team in nächster Zukunft – am besten schon am nächsten Tag – umsetzen kann.
Auf der Basis des vorangegangenen Schrittes kann leicht zu den Maßnahmen übergeleitet werden. Es gilt festzuhalten, was getan werden muss, um einen kleinen Schritt Richtung 10 zu vollführen.
8. Schritt: Persönlicher Auftrag
Durch einen Beobachtungs- oder Handlungsauftrag, den der Coach weitergibt, soll die Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte in der Umsetzung gerichtet und der Prozess im Alltag weiter unterstützt werden.

Der persönliche Auftrag stellt eine elegante Möglichkeit dar, den eingeleiteten Prozess im Alltag weiter zu unterstützen und den Fokus der Teilnehmer auf die Erfolge zu richten. Durch die gezielte Aufmerksamkeit auf kleinere und größere Erfolgssituationen wird der Prozess konstruktiv beschleunigt. Ein Beispiel: „Beobachten Sie in den nächsten zwei Wochen genau, was denn nun im Alltag passiert, von dem Sie sich wünschen, dass es weiter passiert und schon eindeutig in Richtung Futur Perfekt weist. Am nächsten gemeinsamen Meeting tauschen wir diese Beobachtungen dann aus.“

Voraussetzungen/Kenntnisse:
Es ist für den Coach hilfreich, wenn er eine Art „fruchtbare Unkenntnis“ zeigt. Das Heraushalten aus dem vertieften „Verstehenwollen“ gibt dem Coach die Chance, sich auf den Prozess zu konzentrieren. Auch zeigt der Coach damit gleichzeitig, dass die Kunden/das Team die Experten für ihre Lösung sind. Der Coach muss nichts verstehen, um die Elemente des SolutionCircles ausgezeichnet einzusetzen. Er darf es sich sogar leisten, erstaunt und erfreut über die vom Team erarbeiteten Lösungen zu sein.
Quellen/Weiterführende Literatur:
Meier, D. (2004). Werkstattbuch: Wege zur erfolgreichen Teamentwicklung ISBN: 3-8334-0668-2, Bremgarten und Basel: SolutionSurfers.