Konflikt – Problem – Trauma

Nur verletzte Menschen verletzen Menschen


WAS IST EIN KONFLIKT?

Ein Konflikt ist ein tragischer Ausdruck eines unbefriedigten Bedürfnisses (Marshall B. Rosenberg)

Ein Konflikt enthält Spannung und Energie. Daraus entsteht im Positiven Bewegung, Kreativität und Innovation. Nicht der Konflikt ist das Problem, sondern das fehlende Handlungsrepertoire um die notwendige Veränderungen bzw. Verbesserungen zu entwickeln.

Denn nicht der Konflikt ist “gut” oder “schlecht” an sich, sondern die Konfliktaustragungsform ist funktional oder dysfunktional.

Wenn man den Mut hat zur Begegnung mit einem anderen Menschen und wenn man an Konflikten, die sich im Laufe dieses Lebens angesammelt haben, arbeiten will, dann besteht die Chance, zu sich selbst und zueinander zu finden. -Glasl-

Konflikte….

  • zeigen Probleme auf und helfen Problembewusstsein zu entwickeln
  • zeigen Grenzen auf und helfen Grenzverletzungen zu klären
  • sind Wurzeln für Veränderungen
  • führen zu Selbsterkenntnis
  • verhindern Stagnation
  • bewirken Konfliktbereitschaft, da sie den nötigen Druck hierfür erzeugen
  • führen zur Reflexion und einer differenzierten Sicht der Probleme
  • zeigen kreative Potentiale und vielseitige Lösungsmöglichkeiten auf
  • vertiefen das Wissen und die Zuversicht auf weitere erfolgreiche Problemlösungen
  • schaffen Erleichterung und Entlastung
  • offene Konfliktaustragung verhindert zumeist Konflikteskalation und Mobbing
  • gelöste Konflikte festigen den Gruppenzusammenhalt
  • stärken das Selbstbewusstsein und die Selbstachtung.

______________________________________________________________

WAS IST EIN PROBLEM?

Ein Problem ist etwas, das man hat, aber nicht haben möchte .
oder
Ein Problem ist ein Ziel, dass auf dem Kopf steht!

oder

Probleme entstehen durch Ziele, die vom erlebten Ist-Prozess abweichen und (noch) nicht erreicht sind. Ohne angestrebtes Ziel könnte es also auch kein Problem geben.

Nach PAUL WATZLAWICK gilt:

Problem = Schwierigkeit + unpassende Lösung
Schwierigkeit + unpassende Lösung = negative Emotion (Problem)
“Wenn die Lösung zum Problem wird” (Watzlawick) Lass die Lösung weg und probiere etwas anderes! Welche Ressource brauchst Du, damit Du die (unpassende) Lösung weglassen kannst?

Um ein Problem zu haben, muss man bereit sein einiges an Energie aufzuwenden:

- Man muss dem Ist Zustand, einen wichtigen Soll Zustand gegenüberstellen.
- Dann muss man den Unterschied zum Ist Zustand herausarbeiten, diesen negativ bewerten.
- Diesen negativ bewerteten Unterschied muss man sehr ernst nehmen, um dabei schlechte Gefühle zu entwickeln.
- Als nächstes verfolgt man am besten unpassende Strategien mit ebenfalls viel Ernst, damit das Problem bestehen bleibt.

Damit ein Problem besteht, muss folgendes erfüllt sein:

  • Beständigkeit: Es geht nicht von alleine weg
  • Widerstand: Man will es nicht haben
  • negative Emotion: Man fühlt sich schlecht
  • Sinnlosigkeit: Hätte es einen Sinn, wäre es ja kein Problem sondern eine Aufgabe
  • Unpassende Lösung: Denn hätte man eine Lösung, wärs ja nicht mehr da…

Treffen höchstens 4 der obengenannten 5 Punkte zu, handelt es sich nicht um ein Problem, sondern höchstens um eine Schwierigkeit!

Wenn wir mit uns selbst oder mit unserem Umfeld in Konflikt stehen oder ein Problem haben, haben wir die Chance, wenn wir den Mut aufbringen, uns damit auseinandersetzten, uns dabei besser kennenzulernen und zu verstehen, uns weiterzuentwickeln. Leben bedeutet Veränderung.

‘Die entscheidenden Probleme, die wir haben, können nicht auf derselben Denkebene gelöst werden, auf der wir sie erschaffen haben’ – Albert Einstein

_______________________________________________________________________

WAS IST EIN TRAUMA?

Frühe traumatische Erfahrungen, wie sie die meisten von uns in größerem oder kleinerem Umfang erlebt haben, beeinträchtigen unsere Fähigkeit, mit uns selbst und mit anderen wirklich in Kontat zu sein. Auf dieseWeise  werden unsere Lebenskraft und Lebendigkeit eingeschränkt, worauf die meisten psychologischen und viele körperlichen Probleme beruhen.

“Traumasymptome werden nicht durch das äußeren Ereignis verursacht. Sie entstehen, wenn überschüssige Energie nach dem traumatischen Ereignis nicht aus dem Körper entladen wird. Diese Energie bleibt im Nervensystem gebunden und kann auf Körper und Geist verheerende Auswirkungen haben.”- Peter Levine

TRAUMA = emotional Wunde nach einer Erfahrung, die überwältigend ist, eine Wunde, die auch nach 3 Monaten nicht geheilt ist. Ein Erlebnis, in der eine Person sich in einer für sie bedeutsamen Situation wehrlos, hilflos und unentrinnbar ausgesetzt fühlt und diese mit ihren bisherigen Erfahrungen nicht bewältigen kann. Eine nachhaltige Erschütterung des eigenen Welt- und Selbstbildes.

Das Trauma wird im impliziten Langzeitgedächtnis gespeichert. Dies bedeutet, es ist kein willkürlicher Zugriff auf die Erinnerung möglich. Diese Erinnerungen werden stattdessen durch äußere Reize, die mit der Extremsituation verbunden sind, wieder unkontrolliert ausgelöst. Die Zeit kann diese Wunde nicht heilen, da ein unverarbeitetes Trauma im Gehirn als Gegenwart abgespeichert ist. Aus einem unverarbeiteten Trauma kann man nicht lernen, man steckt solange fest und die erinnerten Gefühle, Handlungen und Körperempfindungen werden als gegenwärtig real erlebt. Die traumatischen Erinnerungen werden als nicht sprachliche Sinneseindrücke gespeichert, dh. man  kann es kaum verbal beschreiben.

TRAUMA = Blockierte Lebensenergie durch blockierte Lernerfahrung,  es wird nichts mehr integriert, stattdessen wird alles vermieden, was an die traumatische Erfahrung erinnert bzw. einen zwingen würde, sich damit auseinanderzusetzten – dies kostet nicht nur zusätzlich Energie, sondern schränkt den eigenen Lebens- und Erlebensraum ein

Ein Trauma erfasst uns, wenn wir uns in einer Situation bewegen wollten, uns aber nicht bewegen konnten und durften. Wir waren zu ohnmächtig, uns zu bewegen. Statt uns zu bewegen blieben wir starr.

Z. B. Nach dem Trauma der Trennung von unserer Mutter als Kind bleiben wir vor ihr unbeweglich. Statt auf sie zuzugehen, zogen wir uns von ihr zurück. Wir wollten den Trennungsschmerz nicht noch einmal erleben. Was war die Folge? Auch später in anderen Beziehungen hielten wir uns eher zurück. Zwar wollten wir zu anderen Menschen hin, wie vor dem Trennungsschmerz zu unserer Mutter, doch jeder Schritt auf diese zu brachte in unserem Körper und in unserer Seele die tief in uns gespeicherte Erinnerung an den Trennungsschmerz von damals wieder ins Gefühl. Statt auf andere zuzugehen, wie wir es uns in unserem Inneren sehnlichst wünschen, halten wir uns zurück. Wir werden für sie, was unser Intimstes betrifft, unnahbar.

Um eine seelische Überforderung zu vermeiden, werden die Einzelreize getrennt im Gedächtnis abgespeichert. Die Verarbeitung des Erlebnisses = Zusammenfügen der Einzelerinnerungen zu einer abgeschlossenen Erinnerungsgeschichte, kann in der akuten Situation nicht sofort erfolgen und wird somit auf später verschoben. Die Verarbeitung, die Wiederherstellung des inneren Gleichgewichtes durch eine Reorganisation des eigenen Welt- und Selbstverständnisses, durch angemessenes Einbauen in die bisherigen Erfahrungen nennt man Integration.


TRAUMA INTEGRIEREN = Lernerfahrung fortsetzen und weiterführen, Lebensenergie freisetzen und den eigenen Lebens- und Erlebensraum vergrößern. Die im impliziten Gedächtnis gespeicherte Information kontrolliert und nur soviel als notwendig, in sicherer Umgebung ins Bewusstsein heben und so dem expliziten Gedächtnis überführen, um

- zu Lernen, was noch nicht gelernt werden konnte

- zu Trauern, um das was nicht stattgefunden hat

- Loszulassen, was nicht / nicht mehr möglich ist


In langjähriger Forschungsarbeit ist es Steven Porges, Direktor des Brain-Body Center der Universität Illinois in Chicago gelungen, ein differenzierteres Bild des parasympathischen Systems zu erhalten. Der Begriff polyvagal bringt zum Ausdruck, dass der Vagus-Nerv (10. Hirnnerv), der den zentralen Teil des parasympatischen Nervensystems ausmacht, verschiedene Charakteristika und Funktionen hat. Die gefundene Differenzierung lässt sich aus der Evolutionsgeschichte der Lebewesen ableiten und verstehen. Sie hat im Zusammenhang mit Stress- und Traumafolgen eine herausragende Bedeutung für jede therapeutische Arbeit.

Das autonome Nervensystem des Menschen sorgt für Wohlbefinden und Zufriedenheit, ebenso wie für Verteidigung und Schutz. Es ist dabei auf drei für unser Leben besonders bedeutsame und unterschiedliche Situationen ausgerichtet, auf den Erhalt von Sicherheit, den Umgang mit Gefahr und Lebensgefahr. Die Arbeit von Porges zeigt, dass der menschliche Organismus des Menschen für die oben angeführten drei Situationen auch drei unterschiedliche Funktionsmodi bereitstellt: Dorsaler Vagus-Komplex, Ventraler Vagus-Komplex und Interaktionen im polyvagalen System

Im Zustand der Gefahr nimmt der Sympathikus überhand, Kampf und Fluchtmechanismen werden aktiviert. Der Ventrale Vagus und damit die soziale Kommunikation werden unterdrückt. Im Zustand höchster Lebensgefahr schaltet der Dorsale Vagus die anderen beiden Systeme aus und bringt den Organismus in den Zustand der Erstarrung. Man kann dies wie folgt zusammenfassen:

Nervensystem Funktionen Gehirnstruktur Körperbereich und
Funktion
Sicherheit ventraler Vagus Selbstberuhigung, Kommunikation Neocortex Kopf, Sprache
Gefahr Sympathikus Mobilisierung, Kampf/Flucht Limbisches System Glieder, Bewegung
Lebensgefahr dorsaler Vagus Totstellen und
Dissoziieren, Passive Vermeidung
Hirnstamm (Reptiliengehirn) Eingeweide, Erstarrung

Sicherheit ermöglicht uns, auf andere zuzugehen. Unter Gefahr grenzen wir uns ab, trennen wir uns. Unter Lebensgefahr hingegen kommt jede Bewegung zum Stillstand. Vor einem traumatischen Erlebnis wird der Sympathikus extrem aktiviert und ein hohes Maß an Adrenalin ausgeschüttet. Da der Kampf-/Fluchtmechanismus überwältigt wird, kann das Zuschlagen oder Weglaufen nicht erfolgreich durchgeführt werden. Die aktivierte und hochkomprimierte Energie kann ihr natürliches Ventil nicht finden. Tiere schütteln diese beispielsweise wieder frei und auch die Menschen entladen sich in der Regel. Sie weinen, schwitzen und zittern, wenn der größte Schreck vorbei ist.

Ein großer Teil traumatischer Erlebnisse wird vom Organismus der Betroffenen selbst verarbeitet. Erhält das Nervensystem aber nicht genügend Zeit und Raum zur Entladung, behält es eine innere Ladung. Kopfschmerzen, Nacken- und Rückenprobleme, Bewegungseinschränkungen, Angstattacken, Kontrollzwänge und leichte Reizbarkeit sind mögliche Folgen der verbliebenen Übererregung sowie andere körperliche Symptome.

Die Dysregulation des Nervensystems betrifft auch das dorsale vagale System, die Todesangst, die überschnell reaktiviert wird. Mögliche bleibende Folgen sind beispielsweise rasches Erstarren vor Angst, Dissoziieren (das Gefühl zu haben, nicht im Körper zu sein), Gefühllosigkeit, Taubheit, Erschöpfung, Schwindel, Gefühle von Hilflosigkeit, Opferhaltung, sozialer Rückzug, Vermeidungsverhalten und/oder Orientierungslosigkeit.

Nach einem Trauma muss der Organismus aus dem Zustand der Erstarrung wieder alle Stufen zurückgehen, also von der Immobilisierung zum Kampf-/Fluchtmechanismus, und von der Mobilisierung zum sozialen Kontakt. Bei Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) ist es eines der Ziele, die Flexibilität und Funktionsfähigkeit dieser Kette wiederherzustellen. Es gilt, aus der Erstarrung wieder in den natürlichen Fluss des Lebens zu kommen. PTBS ist ein Gefangensein in der Energie des Schreckens und Gefangensein in der Vergangenheit. Die Fähigkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, ist eingeschränkt, weil das System zu schnell, zu heftig und zu lange aus der Bahn läuft. Das autonome Nervensystem ist zudem weniger stabil (resilent) als vor dem Trauma, d.h. im Kern erschütterte Menschen sind anfällig auf Retraumatisierungen.

Quelle: Peter Itin – Das polyvagale Nervensystem (http://peteritin.files.wordpress.com/2008/09/das-polyvagale-nervensystem1.pdf)

_______________________________________________________________________

Ein Konflikt entsteht oft aufgrund eines Traumatas, wenn durch einen Auslöser, welcher uns an das Trauma erinnert, das Trauma “getiggert” wird. Das Gehirn kennt keine Zeit und alles ist auf einmal so wie damals, wir empfinden wie damals und wir reagieren unbewusst wie damals. Nur sind wir heute erwachsen und hätten die Möglichkeit anders zu reagieren als damals. Damals waren wir hilflos, ohnmächtig, allein, abhängig, ausgeliefert etc. Dies trifft heute nicht mehr zu und so hätten wir heute die Wahl, anders zu reagieren, um zu überleben. Außerdem könnten wir heute nur auf dieses eine Ereignis konstruktiv reagieren, statt alle ähnlichen ungelösten Konflikte zu reaktivieren und damit auf die aktuelle Situation überzureagieren…

Link:   KONFLIKT-TRANSFORMATION / TRAUMA- INTEGRATION