Die systemischen Kenntnisse sind nichts Neues. Schon Freud, Jung und andere Väter der Psychiatrie haben über diese Verbindungen gesprochen, in denen alle Lebewesen mit allen Familienmitgliedern (tot oder lebend) verbunden sind. Freud nannte es “Massenpsyche” und Jung spricht vom “Kollektiven Unbewussten”. In der Gestalttherapie wird mit “leeren Stühlen” gesprochen und damit eine Wirkung erzielt.
So fühlen sich z.B. Kinder mit früheren Familienmitglieder verbunden und übernehmen ähnliche Gefühle und Schicksale wie sie. Familienmitglieder mit schweren Schicksalen, die einen Einfluss auf unser Leben haben können, sind z.B.: Ausgestoßene, Frühverstorbene, frühere Partner, Opfer/Täter, Kriegserlebnisse, schweres Unrecht. Ereignisse von Bedeutung sind auch Aufenthalt in einer Psychiatrischen Klinik oder Gefängnis, Sucht, Todgeburt, Abtreibungen, weggegebenes Kind, aus der Heimat vertrieben, usw. Durch die Ablehnung des Vaters oder der Mutter kann das Leben, das sie geschenkt haben nicht voll genommen werden und da wir jeweils zu 50% aus dem Vater bzw. aus der Mutter stammen, lehnen wir auch einen Teil von uns ab, wenn wir sie nicht annehmen können.
Wenn in unserer Kindheit elementare Bedürfnisse nicht gestillt wurden, suchen wir aus diesem Mangelzustand heraus manchmal zeitlebens bei unseren Partnern, Freunden und anderen Menschen nach Erlösung, die diese letztlich nicht wirklich leisten können. Um als Erwachsener das Potential zu haben, für sich selbst zu sorgen, hätten aber diese Bedürfnisse zur richtigen Zeit von der richtigen Person erfüllt werden müssen. Letztlich weiss jeder Mensch tief in seinem Inneren, was er für seine optimale Entwicklung und Entfaltung im Kontakt mit seinen Bezugspersonen gebraucht hätte. Aus diesem Wissen heraus wird endlich alles klar benannt und es werden individuelle, heilende Bilder entworfen. Dem inneren Kind wird eine lang ersehnte “Antwort” angeboten, die nur darauf wartet, angenommen zu werden, eine alte Wunde kann heilen, die Sehnsucht kann endlich gestillt werden.
Noch heute orientieren sich viele Therapeuten an Virginia Satirs wegweisenden Aussagen zur Familientherapie. Psychische Probleme von Klienten werden innerhalb der Familientherapie nicht isoliert gesehen, sondern das Verhalten aller Familienmitglieder wird in die Betrachtung mit einbezogen. Durch Gespräche, “Familienaufstellungen” und eine Vielzahl kreativer Methoden kann dabei erreicht werden, allmählich die inneren Prozesse der Familie zu verstehen. Verborgene Strukturen und Bindungen werden erfahrbar. Das Geflecht der Beziehungen wird Stück für Stück entwirrt, so dass Verstrickungen gelöst werden können.
Die Systemische Familientherapie geht davon aus, dass bei den Mitgliedern einer Familie und in der Familie als Ganzes »Selbstheilungskräfte« vorhanden sind, die in der Therapie mobilisiert werden können. Somit wird es der Familie möglich, einen Großteil ihrer Probleme ohne beständige therapeutische Unterstützung zu lösen.
In ihrem therapeutischen Ansatz ist der Selbstwert einer Person der Schlüssel aller Phänomene unseres geistigen und sozialen Lebens. Eine Person, die gelernt hat, sich wertzuschätzen, wird in der Lage sein, kongruent und klar zu kommunizieren und alle Probleme mit Respekt für die Freiheit des jeweils anderen zu lösen. Die Familienskulptur ist eine von Virginia Satir entwickelte Technik in der Familientherapie. Klienten entwickeln dabei ein systemisches Verständnis über sich selbst, die Beziehungen zu anderen Menschen und über ihre Familienkonstellation. Beziehungen und Verhalten von Familienmitgliedern zueinander werden symbolisch dargestellt. Die „Familienskulpturen“ sind als Familienrekonstruktion ein Bestandteil der Ausbildung von Familientherapeuten. Indem man seine Herkunftsfamilie stellt, werden unsichtbare Bindungen und “festgefahrene” Kommunikationsabläufe sichtbar. Beziehungskonflikte und krankmachende Bindungen können erkannt und gelöst werden.
Bert Hellinger hat seine Methode des Familienstellens vorrangig aus der Arbeit der Familientherapeutin Virginia Satir, aus der Familienskulptur entwickelt. Die Wurzeln der Familienaufstellungsarbeit liegen u.a. bei Thea Schönfelder, Ruth McClendon und Les Kadis, ebenso wie der Ursprung der Idee der transgenerationalen Solidarität, des Ausgleichs von Geben und Nehmen und der ökonomischen Umdeutung des Schuldbegriffs (mit Wurzeln bei Martin Buber) bei Ivan Boszormenyi-Nagy, die dann Eingang fanden und umgestaltet wurden im Familienstellen von Bert Hellinger. Hellinger hat vieles in der Familienaufstellung zusammengebracht und aufgrund seinen Erfahrungen die “lösenden Sätze” entwickelt und viel zum Verständnis des Systems beigetragen. Im Grunde ist die Wahrheit einfach, wenn sie ausgesprochen wird, verspüren wir eine tiefe Ressonanz in uns, und sie wird in vielen Lehren und Sprachen vermittelt, jedoch nicht unbedingt verstanden, da wir nur durch das Erfahren mit unseren Sinnen begreifen und Verhaltensweisen ändern können und nicht allein durch das Verstehen (ja theoretisch und im Kopf mag es logisch sein, aber wir können nur nachempfinen, was wir selbst erfahren haben) und in der Aufstellung ist das Erfahren mit unseren Sinnen und das Verstehen mit unserem Geist, das Begreifen möglich. Und jeder braucht dazu seine individuelle Zeit. Daher ist es wichtig dass jeder in seinem eigenen Tempo, in seiner Bearbeitungbereitschaft vorwärtsgehen kann. Am meisten wird Hellinger aufgrund seiner Haltung angegriffen. Dies zeigt, wie wichtig die persönliche Haltung des Aufstellungsleiters/-gastgebers ist. Als eines der größten Vorbilder der wertschätzenden Haltung sehe ich Virginia Satir.
Virginia Satirs Anliegen war es, Menschen ihre Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie ihr “Grundpotential” nutzen konnten, und Wachstum und Frieden zu fördern.
Menschliche Freiheiten
Die Freiheit zu sehen und zu hören, was im Moment wirklich da ist, – anstatt das, was sein sollte, gewesen ist oder erst sein wird.Die Freiheit, das auszusprechen, was ich wirklich fühle und denke, – und nicht das, was von mir erwartet wird.Die Freiheit, zu meinen Gefühlen zu stehen, – und nicht etwas anderes vorzutäuschen.Die Freiheit, um das zu bitten, was ich brauche, – anstatt immer erst auf Erlaubnis zu warten.Die Freiheit, in eigener Verantwortung Risiken einzugehen, – anstatt immer nur auf “Nummer sicher zu gehen” und nichts Neues zu wagen.